Kinderhilfe Afghanistan

Afghanistan

Badische Zeitung vom 4.10.2003

Schulen für Paschtunistan
ZU GAST IN FREIBURG: Der Arzt Reinhard Erös leitet eine Hilfsorganisation in Afghanistan
VON UNSEREM MITARBEITER MORITZ DEUTSCHMANN

"Im Osten Afghanistans fühle ich mich sicherer als in Freiburg." Reinhard Erös spitzt seine Aussagen gerne etwas zu. "Schließlich ist seit dem Sturz der Taliban-Regierung in Afghanistan nur ein einziger ausländischer Zivilist umgebracht worden." Auf Einladung der Konrad-Adenauer-Stiftung kam der Arzt und Entwicklungshelfer am vergangenen Mittwoch zu einem Vortrag ins Mädchengymnasium St. Ursula und räumte auf mit Afghanistan-Klischees.

Die Hälfte des Jahres verbringt Erös, der in Freiburg Medizin studiert hat, in Afghanistan. Die von ihm geleitete "Kinderhilfe Afghanistan" baut im Osten des Landes Schulen und Krankenstationen auf. Ausgerechnet am 11. September hat er wieder eine Schule für 2000 Mädchen eröffnet. An allen Schulen arbeiten nur Frauen: Erös will den von den Taliban besonders unterdrückten Akademikerinnen die Chance auf einen Arbeitsplatz geben.

Der 55Jährige war schon während der sowjetischen Besatzung in den 80erJahren in Afghanistan und hat in den Höhlen von Tora-Bora unter Lebensgefahr Verletzte behandelt. "Ein Freund von mir wurde von russischen Soldaten erschossen." Auch Erös jüngster Sohn ist in Pakistan gestorben. "Das war ein Wendepunkt für meine Frau und mich: Entweder wir hören mit den Hilfseinsätzen auf oder wir machen mit verstärktem Engagement weiter."

Eine Tasse Tee mit Osama bin Laden
Erös hat sich fürs Weitermachen entschieden und bis Dezember vergangenen Jahres sogar noch als Oberstarzt bei der Bundeswehr gearbeitet, bevor er sich ganz auf die von ihm geleitete Hilfsorganisation konzentrierte. Unter Entwicklungshelfern hat Erös Bundeswehrkarriere zwar Seltenheitswert. "Aber häufig hatten die Militärärzte mehr Verständnis für meine Tätigkeit als meine zivilen Kollegen." An Afghanistan reizt" ihn, der unter anderem schon in den Slums von Kalkutta und in Ruanda aktiv war, der politische Auftrag: "Ich baue ein Land wieder auf."

Neben zahlreichen Medienauftritten und einer Einladung des Bundestags kann er auch von einer Begegnung der
speziellen Art erzählen: Einen Tee mit Osama bin-Laden hat er schon getrunken - Ende der 80er Jahre in Peshawar (Pakistan), wo der mittlerweile weltweit gesuchte Terrorist in seiner Nachbarschaft ein Büro unterhielt.

Den Krieg gegen die Taliban hält Erös trotz der vielen Toten für richtig. "Viele Afghanen sind den Amerikanern dankbar, dass sie die Taliban vertrieben haben. Allerdings mit dem Zusatz, dass Amerika durch Waffenlieferungen in den 80er Jahren die Taliban erst stark gemacht hat."

Jetzt komme es darauf an, das Land wieder aufzubauen. "Dafür geben die Amerikaner viel weniger aus als für den Krieg." Dringend nötig sei eine Ausweitung des Isaf Einsatzes auf die Gebiete außerhalb Kabuls: "Das hätten wir gleich machen müssen." Deutsche Soldaten sollten dabei die Hauptrolle spielen. "Die Beziehungen zwischen Deutschen und Afghanen sind traditionell sehr gut Sehr viele Afghanen haben in Deutschland studiert. Als die vier deutschen Soldaten in Kabul ums Leben kamen, haben 4000 Afghanen bei einer Schuleröffnung eine halbe Stunde für die Soldaten gebetet."
 

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