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Lesen Sie, welche Bedeutung der Lions-Starnberg-Friedensschule (links im Bild) von den Dorfältesten der Ortschaft Markihel in einem abgelegenen Tal in den Bergen von Tora Bora zugemessen wird. Für alle Schnellleser der direkte Zusammenhang hier

 


Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 12. September 2004


Wir schlafen nicht
Die Taliban lernen dazu: Im Norden Pakistans bereiten sie in aller Ruhe ihre gewaltsame Rückkehr nach Afghanistan vor

Von Michael Hanfeld

PESHAWAR, 10. September. Die Taliban haben angekündigt, daß sie vor der Präsidentenwahl in Afghanistan am 9. Oktober ihre Anschläge verstärken werden. Jeder, der sich an der Wahl beteilige, ob als Kandidat oder als Wähler, sei ein potentielles Ziel für Anschläge, hat ein Sprecher der Taliban verlauten lassen. Mehrere Dutzend Wahlhelfer haben die Taliban in den vergangenen Wochen getötet, die Zahl der Anschläge und der Opfer steigt. Die Taliban mögen den Krieg vor drei Jahren verloren haben, aufgegeben haben sie nicht. Sie kämpfen weiter, weil für sie in einem friedlichen Afghanistan kein Platz ist.

In der Stadt Akora Khattak im Norden Pakistans ist von diesem politischen Kampf, der ganz in der Nähe mit ungezügelter Gewalt und ohne Rücksicht auf zivile Verluste geführt wird, nichts zu spüren. Im Gegenteil. Doch der Frieden in dieser Stadt hat etwas von der Ruhe im Auge des Taifuns. Hier, eine dreiviertel Autostunde von der Provinzhauptstadt Peshawar entfernt, liegt die Jamia Hakkania, die berühmte Eliteschule der Taliban, ein geistiges und politisches Zentrum der Bewegung. Dreitausend Schüler werden hier einer "islamischen Erziehung" unterzogen, sie werden mit den "göttlichen Gesetzen" bekannt gemacht, wie die Schulfibel sagt. Die Jungen und jungen Männer leben in einem Internat, ihre Unterkünfte liegen direkt neben dem Schulgebäude. Die Front zur Straße nimmt die prächtige Moschee ein, auf der Rückseite des Geländes, das ein richtiger Campus ist, sind um einen Spielplatz herum die Wohngebäude angeordnet, in welchen die Angehörigen der Schüler leben. Sie kommen aus ganz Pakistan und aus anderen Ländern. In einem kleinen grünen Garten liegt der Gründer der Jamia Hakkania begraben, Scheich ul Hadith Hazrat Maulana Abdul Haq.

Sein Enkel, Hamed ul Haq, hält gerade seine Sprechstunde ab. In seinem Büro herrscht reger Betrieb, es ist ein Kommen und Gehen. Die Taliban in Akora Khattak kümmern sich nicht nur um ihre Schüler, sondern auch um die Sorgen und Nöte vieler anderer. In Ruhe ausreden kann hier keiner, jeder trägt ein Anliegen vor, ob es etwas mit der Schule, mit einem Streit unter Nachbarn oder mit der Stromversorgung im Viertel zu tun hat - der Vizedirektor der Taliban-Schule ist ihr Ansprechpartner bei allen Fragen. Er hört zu, er entscheidet und redet schnell, aber nicht laut, er greift immer wieder zu den Hörern zweier archaischer roter Telefone, die auf seinem Schreibtisch stehen. Viel öfter aber greift er noch zum Handy, das hier jeder in seinem Kaftan trägt.

Wüßte man es nicht besser, würde man sich in das Haus eines Dorfbürgermeisters versetzt fühlen. Nichts Bedrohliches geht von der Szene und den darin agierenden Personen aus. Vor der Schule parkt ein Wagen der pakistanischen Verkehrspolizei. Zumindest ist er als solcher ausgewiesen. Die Taliban wissen, daß sie von der pakistanischen Regierung genau beobachtet werden. Manch einer geht daher erst bei Dunkelheit zu Versammlungen in die Schule oder zum Haus des Schuldirektors, des berühmten Taliban-Führers Sami ul Haq, des Vaters unseres Gegenübers.

Zum Anwesen Sami ul Haqs gelangt man durch einen Seiteneingang, der von einem bewaffneten Posten bewacht wird. Es ist schwül-heiß, knapp unter vierzig Grad im Schatten. Zur Begrüßung werden ein sehr süßes, trockenes Gebäck und eine tiefrote Limonade von undefinierbarem Geschmack gereicht. Spielende Kinder huschen zwischen den Gebäuden auf dem Campus umher; ein paar Frauen sind zu sehen, sogar unverschleierte. Sie verschwinden schnell. Fremde Besucher sind selten, von den Jungen werden sie mit kaum verhohlener Neugier betrachtet. Einer der letzten Journalisten, die hierherkamen, war der Amerikaner Daniel Pearl, der seine Recherche über die Taliban und die Terrororganisation Al Qaida mit dem Leben bezahlte. Am 17. Mai 2002 wurde seine enthauptete Leiche in der Nähe von Karachi gefunden.

In Akora Khattak aber herrscht scheinbar entspannte Ruhe. Dies ist die an der Oberfläche friedliche, die pakistanische Seite der Taliban-Bewegung. Hier wird mit Worten, nicht mit Waffen gekämpft. Die pakistanischen Taliban, sagt der Lokalchef der Zeitung "The News", Behrol Khan, den wir in seinem Büro in Peshawar aufsuchen, hätten eben längst erkannt, daß es wichtiger ist, zu predigen, zu agitieren und Wahlen zu gewinnen, als sie zu stören: "Replace the bullet by the ballot", das sei ihre Taktik, sagt er. In Pakistan sind die Taliban damit erfolgreich. Sie haben es gar nicht mehr nötig, Gewalt anzuwenden, schließlich haben sie im Oktober vor zwei Jahren die Wahlen in der North West Frontier Province und im benachbarten Baluchistan gewonnen und stellen hier seither die Regierung. Schickten sie zuvor drei Abgeordnete in die Nationalversammlung nach Islamabad, so sind es heute dreißig. Sami ul Haq, der Direktor der Jamia Hakkania, ist Abgeordneter im pakistanischen Parlament und führendes Mitglied der Taliban-Partei, der Jamaat-i-Islami. Auf Wahlplakaten, die vor dem Eingang zu seinem Haus hängen, ist er mit erhobener Kalaschnikow zu sehen, wie er den Massen predigt. Während unseres Besuches hält er sich gerade in London auf und spricht zu dortigen Sympathisanten.

Was lernen die dreitausend Schüler und Studenten der Taliban eigentlich an diesem Ort? Acht Prinzipien führt das Curriculum der Koranschule auf: religiöse und arabische Erziehung, korrekte Interpretation des Korans, Sicherung der islamischen und arabischen Kultur, Abwehr der "falschen Glaubensrichtungen", Predigen und Lehren, Abfassen religiöser Schriften, Harmonisierung der inneren Einstellung mit der äußeren Lebensweise, Ausrüstung der Heiligen Krieger mit Kultur und Moral. Zehn Monate im Jahr wird gelehrt, es gibt Computer- und Englischkurse und solche in islamischer Rechtslehre talibanischer Observanz. Mit acht Schülern hat die Jamia Hakkania im Jahr 1947 begonnen, jetzt entläßt sie jedes Jahr siebenbis achthundert junge Absolventen.

Doch was sollen diese jungen Männer nach ihrer Schulausbildung tun? "Alles mögliche", sagt Hamed ul Haq. "Sie können Politiker werden oder Ärzte, sie können viele Berufe ausüben, aber auf islamische Weise. Fast alle Politiker aus unserer Provinz sind auf diese Schule gegangen, unsere Parteiführer, mein Vater, ich selbst. Die meisten Schüler werden Prediger und lehren in der Moschee. Sie gehen zum Studieren nach Ägypten und schließen ihre Ausbildung dort mit einem Diplom ab."

Ohne Umschweife kommt Hamed ul Haq auf die politische Mission der Taliban in Pakistan und Afghanistan zu sprechen, auf die Errichtung eines islamischen Staates. Der afghanische Zweig der Taliban ist, wie der Sekretär der Schule, Hamad Shah Haqani, erklärt, zur Zeit bemüht, eine politische Sammlungsbewegung zu gründen für jene, die von der Präsidentenwahl im Oktober ausgeschlossen sind beziehungsweise sie bekämpfen. Erste Gespräche mit Gulbuddin Hekmatyar soll es bereits gegeben haben. Die afghanischen Taliban rechnen fest damit, daß sie eines nicht allzu fernen Tages zurückkehren werden. Von den pakistanischen Taliban wollen sie bis dahin nachholend gelernt haben, was ihnen an Regierungskunst in den Jahren 1994 bis 2001 gefehlt hat. Ihren Guerrillakrieg in Afghanistan betreiben sie unterdessen weiter. Dessen Anführer ist nach wie vor der legendäre Mullah Omar. Bei einer Militäraktion der Amerikaner soll er kürzlich verletzt worden sein. Doch er sei wohlauf, wird uns gesagt, und führe den Kampf weiter.

Und was verbindet die Taliban mit Usama Bin Ladin? Man kann dem stellvertretenden Schulvorsteher Hamed ul Haq ansehen, daß er auf diese Frage nur gewartet hat. Er lächelt. "Die Taliban und Al Qaida sind nicht das gleiche", sagt er. "Wir sind alle Moslems, Usama hat fünfundzwanzig Jahre lang hier bei uns gelebt, doch er ist nur ein Name. Die Amerikaner haben Al Qaida groß gemacht. Das waren doch schließlich deren Gunmen! Zwei Stunden nach dem Anschlag vom 11. September habe ich den Namen ,Al Qaida' zum ersten Mal gehört, selbst den haben sich die Amerikaner ausgedacht. Wann immer etwas passiert, ist Al Qaida schuld, doch das stimmt oft gar nicht. Durch die Propaganda der Amerikaner erst entsteht eine Weltbewegung. Aber ich bin sicher, daß die meisten Attentate nicht auf das Konto von Al Qaida gehen. Dabei geht es hier um einen Kampf zwischen islamischen Staaten und Amerika. Damit haben die Taliban nichts zu tun."

Soviel dazu. Der kleine politische Exkurs, in den wir direkt vom Curriculum der Schule geraten sind, wird freundlich beendet. Die anderen Fragesteller drängen von allen Seiten um Hamed ul Haqs Schreibtisch, er hat wirklich alle Hände voll zu tun.

Die zumindest rhetorische Distanzierung vom Paten des internationalen islamistischen Terrors betreibt der Sekretär der Schule indirekt weiter, als wir mit ihm anschließend über das Gelände schlendern und auf dem Boden der Bibliothek Platz nehmen, die in vielen hundert bunten Prachtausgaben nichts als den Koran und seine Interpretationen versammelt. Nicht die Taliban, die Amerikaner müsse man nach Al Qaida fragen, sagt Hamad Shah Haqani und schenkt Tee mit viel Zucker aus. Ihnen sei Usama Bin Ladin doch schließlich im Kampf gegen die Russen nützlich gewesen. Erst als Bin Ladin erkannt habe, daß man den Palästinensern beistehen und Israel bekämpfen müsse, sei er für die Amerikaner zum Problem geworden. "Aber sie haben ihn erst hierhergebracht."

Es ist eine gewisse Absetzbewegung aus diesen Worten herauszuhören, die nachvollziehen, was im Oktober und November 2001 in Afghanistan geschah. "Die Taliban wußten gar nicht, was am 11. September geschehen ist, und sie wußten auch nicht, was Al Qaida tat", sagt dazu Mahmud Afridi, der Chefredakteur der "Frontier Post". Seine Redaktion ist gut informiert über die Vorgänge in Afghanistan und im Norden Pakistans. Die Zeitung wird von Peshawar aus verlegt, das dreißig Kilometer hinter der Grenze zu Afghanistan liegt, direkt hinter den sogenannten "Tribal Areas". Wegen seiner Unzugänglichkeit kann die pakistanische Armee dieses Gebiet nicht kontrollieren - es ist der ideale Rückzugsraum für die Taliban und andere Kämpfer gegen die neue Ordnung. Was Afridi über die Taliban und über die bevorstehende Wahl in Afghanistan sagt, deckt sich weitgehend mit dem Urteil seines Kollegen von "The News". Gewinnen werde sie Hamid Karzai, aber nur weil die Amerikaner dies wollten, an echtem Rückhalt bei den Afghanen aber mangele es Karzai nach wie vor. "Er muß das Volk lieben", sagt Afridi und beklagt wie sein Kollege Behrol Khan, daß die Warlords ihre alte Macht zurückerlangt hätten. Der Drogenhandel sei - neben dem Terrorismus - die mit Abstand größte Gefahr für das Land, aber niemand unternehme etwas dagegen.

Die Taliban hatten den Drogenanbau und -handel zumindest zeitweise sehr wirkungsvoll unterbunden. Ihre Methoden wünschen sich in Afghanistan und Nordpakistan aber nur die wenigsten zurück. "Die Menschen haben nicht vergessen, was ihnen die Taliban angetan haben", sagt ein ehemaliger Mudschahedin-Führer, der gemeinsam mit den Taliban gegen die Russen gekämpft hat. Am Ende seien die meisten vor dem drakonischen Regime geflohen, aber auch, um nicht zu verhungern: "Die Taliban haben gezeigt, daß sie nicht regieren können."

Ein wenig haben dies sogar die Taliban selbst begriffen. Denn Hamad Shah Haqani, der Schulsekretär, sagt nicht nur Sätze wie: "Wir schlafen nicht, die Taliban-Bewegung ist nicht tot." Der schlanke, großgewachsene Mann von Mitte Dreißig mit dem gütigen Blick, der beim Zuhören und leisen Formulieren langsam über seinen Bart streicht, sagt auch, daß die Taliban Fehler gemacht hätten, "viele Fehler" sogar.

Während ihrer Herrschaft in Afghanistan war er so etwas wie Minister für Bodenschätze. Er hat zuerst gegen die Russen und dann gegen die Anhänger Rabbanis gekämpft. Mit Müh und Not und Allahs Hilfe, erzählt er, sei er den Soldaten der Nordallianz nach den Kämpfen um Mazar-i-Sharif entkommen. "Wir haben viele Fehler gemacht", sagt er, will sie aber nicht im einzelnen aufzählen. Immerhin läßt er sich entlocken, daß es wohl falsch gewesen sei, die Frauen zu schlagen und einzusperren.

Dafür wiederum kann sich eine afghanische Politikerin wie Nighar Kaliz nichts kaufen. Frau Kaliz lebt in Dschalalabad, der Hauptstadt der afghanischen Provinz Nangarhar, die an Pakistan grenzt und in der die Amerikaner in den Bergen von Tora Bora noch immer nach Usama Bin Ladin suchen. Bis nach Peshawar sind es von hier achtzig bis hundert Kilometer. Nighar Kaliz engagiert sich mit einer eigenen Gruppe bei der Wahl, sie will in die Versammlung optiert werden, die schließlich den Präsidenten bestimmt. Doch kann sie ohne die Burka nicht in die Öffentlichkeit gehen. Die Taliban, die ihre Zuträger überall haben, haben landesweit gedroht, Frauen, die auf der Straße ohne Burka angetroffen werden, Säure ins Gesicht zu schütten. Drohungen gegen Leib und Leben aller Familienmitglieder gehören dazu. Zu dem um politische Anerkennung ringenden Kurs der pakistanischen Taliban will das nicht so recht passen. Es paßt doch, sagt dazu der Lokalredaktionschef von "The News", Behrol Khan: "Die Taliban haben ihre ,hidden agenda'. Wer gegen diese verstößt, hat mit dem Schlimmsten zu rechnen." So wie jene zwei Kollegen, die von Unbekannten ermordet worden seien. Der eine habe sich in seinen Artikeln und Büchern offen mit dem Thema Sexualität befaßt, der andere habe die Taliban karikiert. "Wir bekommen regelmäßig Drohungen am Telefon und per Fax", sagt Khan. Und wie weit verbreitet in der North West Frontier Province die Auffassungen seien, für welche die Taliban stehen, könne man an einem Lynchmord ablesen, der sich erst vor ein paar Tagen ereignet habe: Weil seine Tochter eine voreheliche Beziehung zu einem jungen Mann eingegangen sei, habe der Vater des Mädchens vor der Moschee alle Bewohner seines Dorfes aufgerufen, das Liebespaar zu töten.

Derweil wird die ohnehin gespannte Lage in Afghanistan durch die Wahl noch gefährlicher. In der Provinz Paktia im Süden wurde vorletzte Woche eine Schule angegriffen, drei Schüler kamen dabei ums Leben. Da ist es schon von einer gewissen Doppelzüngigkeit, wenn der Sekretär der Taliban-Schule in Akora Khattak feststellt, die Regierung Karzai sei "keine Regierung. Denn er hat keine Macht, und es gibt keine Sicherheit im Land." Die Taliban stecken hinter etlichen der Anschläge, wenn auch längst nicht hinter allen. "Die Anschläge auf Amerikaner, die verüben wir", sagt Hamad Shah Haqani direkt heraus. Und beim Kampf gegen die Soldaten wird auch nicht nach Nationalitäten gefragt: "Zwischen amerikanischen und deutschen Soldaten gibt es, militärisch gesehen, keinen Unterschied." Nicht verantwortlich seien die Taliban aber für die Ermordung von zwölf chinesischen Bauarbeitern und auch nicht für das Attentat auf fünf Mitarbeiter der Organisation "Ärzte ohne Grenzen". Dieser Mordanschlag schockte Anfang Juni sämtliche Mitarbeiter von Hilfsorganisationen in Afghanistan. "Ärzte ohne Grenzen" hat sich hernach ganz aus dem Land zurückgezogen. Hilfsorganisationen, die sich auf rein humanitäre Ziele beschränkten, gibt der Taliban-Sekretär zu verstehen, seien nicht ihre Gegner. Wohl aber eine Gruppe wie "Shelter Now", die christlich missioniere, politische Ziele verfolge und somit gegen das islamische Recht verstoße. Den Mord an einer jungen Frau, die angeblich der Prostitution nachging, hat ein lokaler Taliban-Führer der "Frontier Post" kürzlich am Telefon gemeldet und sich damit gebrüstet, wohl wissend um die abschreckende Wirkung der von ihm verhängten "Strafe".

Korrupt sind die Taliban nicht. Das Auftreten ihrer Vordenker hat etwas Jesuitisches, und an der Konsequenz ihres Handelns gibt es keinen Zweifel. Sie wollen, wo sie leben, mit allen Mitteln einen islamischen Staat errichten. Und sie sehen sich darin als Verteidiger der Menschenrechte ihrer Glaubensgenossen gegen die Amerikaner. Immer wieder fällt ein Stichwort: Abu Ghraib. Die Bilder aus dem Bagdader Foltergefängnis kennzeichnen für die Taliban nicht nur die Amerikaner, sondern den Westen überhaupt in seiner ganzen Abscheulichkeit. Wo die Taliban noch Rückhalt genießen, beruht er nur zu einem geringen Teil auf innerer Zustimmung der Menschen, zum größeren auf der Furcht vor ihren Taten und auf dem Verdruß über die Amerikaner, die bei ihrer Suche nach Taliban und Al-Qaida-Leuten die Dörfer im Grenzgebiet zumeist mitten in der Nacht umpflügen und immer wieder Unschuldige töten. Vor ein paar Wochen brach in der Provinz Nangarhar eine große Delegation von mehr als fünfzig Männern aus einem entlegenen Tal im Gebiet von Tora Bora in die Hauptstadt Dschalalabad auf, um den Leiter der deutschen Organisation "Kinderhilfe Afghanistan" um den Bau einer Schule zu bitten. Die Taliban waren nämlich plötzlich in ihr Tal gekommen und begannen, eine Koranschule zu bauen - es wäre die einzige Bildungseinrichtung weit und breit gewesen. Der wollten die Leute aus dem Dorf etwas entgegensetzen. Nun werden zwei Schulen gebaut - in einem Wettstreit um Schüler und um Köpfe, bei dem es um mehr geht als um Lesen und Schreiben. Wie begrenzt die Toleranz der Taliban für einen derartigen Ideenconcours ist, das wird einem zwischen Peshawar und Dschalalabad jeden Tag demonstriert.

Doch wie sagt Hamad Shah Haqani, der zur Zeit 250 Jungen an der Taliban-Schule von Akora Khattak betreut? "Der Frieden wird durch Worte geschaffen, nicht mit Waffen. Das Wort ist mächtiger als jede Waffengewalt." Es kommt nur darauf an, welchen Frieden man meint.

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