Kinderhilfe Afghanistan

Afghanistan

Mittelbayerische Zeitung vom 21. Mai 2004

Vom Freiheitskämpfer zum Samariter
Der Afghane Mohammad Alem führte Krieg gegen die Russen — heute hilft er Kindern
VON HARALD RAST, MZ

Mohammad Alems Leben könnte das Drehbuch für einen Film liefern. In den 80er Jahren kämpfte der Afghane als Mudschahedin vier Jahre , gegen die sowjetischen Truppen, die sein Heimatland besetzt hielten. Heute leitet er die Projekte der Kinderhilfe Afghanistan, die von dem Oberpfälzer Arzt Reinhard Erös gegründet worden ist. Gegenüber der MZ. berichtete der 39-Jährige aus seinem aufregenden Leben als Freiheitskämpfer und Entwicklungshelfer.
Im Jahr 1980 musste Mohammed Alem Afghanistan überstürzt verlassen. Geboren in der Hauptstadt Kabul, hatte er bis dahin die High School besucht. Doch sein Vater, ein Bau-Ingenieur und erklärter Gegner des kommunistischen Regimes, wurde plötzlich verhaftet. Um nicht das gleiche Schicksal zu erleiden, floh Alam, im Alter von 24 Jahren nach Pakistan. Er ließ sich in der grenznahen Stadt Peschawar nieder. Seinen Vater sah er erst 1985 nach dessen Freilassung wieder. Dem Kerker entronnen, war auch er mit dem Rest der Familie nach Pakistan geflüchtet.
Alem schloss sich den Mudschahedin an und kämpfte vier Jahre gegen die verhassten sowjetischen Okkupanten. Im ostafghanischen Bergland lernte er 1985 Reinhard Erös kennen. Der Bundeswehr-Arzt aus Mintraching im Landkreis Regensburg arbeitete damals im Auftrag des deutsch-afghanischen Komitees heimlich in dem vom Krieg verwüsteten Land.
Alem erkannte, dass er künftig „lieber Menschen helfen wollte, als weiter zur Waffe zu greifen”. Als Erös' Assistent machte sich der Mann vom Volksstamm der Tadschiken als Führer und Begleiter schnell unentbehrlich. Erös betrieb damals illegal 14 Gesundheits-Stationen in Afghanistan. Sie waren von Pakistan aus unter oft lebensgefährlichen Umständen nur zu Fuß zu erreichen.
„Mohammad ist absolut zuverlässig und hat das Denken der Europäer verstanden”, lobt Erös den Freund, den er 1997 zum örtlichen Geschäftsführer seiner Kinderhilfe Afghanistan berufen hat. Deren Schul- und Krankenhaus-Projekte betreut Alem vom nahen pakistanischen Peschawar aus. Mehrmals pro Woche pendelt er mit einem alten Geländewagen hin und her. „Ich gebe das Geld aus, das Reinhard Erös in Deutschland sammelt”, scherzt Alem.
Er hat Deutschland inzwischen mehrfach besucht, sich aber von der westlichen Zivilisation nicht vereinnahmen lassen. „Ich trinke keinen Alkohol, ich rauche nicht und ich nehme keine Drogen”, sagt der gläubige Muslim. Bei seinem ersten Deutschland-Besuch habe er allerdings bei einem Restaurant-Besuch einen mittel-schweren Kultur-Schock erlitten — als sich ein junges Pärchen in der Öffentlichkeit ungeniert küsste.
Alem ist verheiratet und stolzer achtfacher Vater. Auf seinen Kindersegen angesprochen, lacht er nur: „Afghanistan hat im Krieg gegen die Russen viel Bevölkerung verloren...”

Mohammed Alem (links) mit dem Kommandeur der ISAF Truppen in Afghanistan, Dreisternegeneral Götz Gliemeroth (rechts) und Oberst i.G. Retzer (Mitte), Kommandeur der deutschen Soldaten in Kabul
bei der Eröffnung der Sir Peter Ustinov Schule der Kinderhilfe Afghanistan am 31. Dezember 2004 in Paghman

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