Kinderhilfe Afghanistan

Afghanistan

Oberpfalznetz 30.05.2003
Engagement aus der Oberpfalz für ein zerstörtes Land
Am Hindukusch arbeiten Mädchen mit Computern –
Afghanistan-Doktor Erös kann auf Hirschauer Firma Conrad bauen


Von Ralph Storch

BIld: privat
Dr. Erös und "sein" Afghanistan: Hier ist die zweite Heimat des Oberpfälzers.

Jalalabad/Hirschau. Mutmacher-Allianz der besonderen Art: Der gebürtige Tirschenreuther Dr. Reinhard Erös aus Mintraching bei Regensburg und Europas Top-Elektronikfirma Conrad mit Sitz in Hirschau kooperieren bei einem kühnen Projekt in Afghanistan: dem Aufbau einer Computerklasse für Mädchen an der „Allaei Girls High School“ in Jalalabad.

Die größte Mädchenschule des Landes war im letzten Jahr von der „Kinderhilfe Afghanistan“ neu gegründet worden. Inzwischen besuchen sie über 4000 Schülerinnen. Man erinnert sich: Zu Zeiten der Steinzeit-Taliban war Mädchen und Frauen Bildung jeglichen Zuschnitts verboten, die Fundamentalisten- Moslems verhängten brutale Strafen, wenn ein Mädchen auch nur den total verhüllenden Kopfumhang, die Burka, ablegte.

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Um die Menschen zu verstehen, muss Erös zuhören können - wie hier in einer typischen Männerrunde.

Einsatz für Humanität

Dann kam der 11. September 2001 mit den Anschlägen auf das Word Trade Center in New York durch die Al Quaida des Osama bin Laden, jener vorwiegend aus Saudi Arabien rekrutierten Guerilla-Truppe, die Afghanistan den Stempel des Radikal-Islamisten- Staates aufdrückte. Schließlich die Befreiung am Hindukusch durch den Militärschlag der Amerikaner. Schon 1997 gründete Dr. Reinhard Erös, Oberst-Arzt der Fallschirmjäger- Truppe der Bundeswehr, mit seiner Frau die „Kinderhilfe Afghanistan“, die sich mittlerweile zur größten privaten deutschen Hilfsorganisation entwickelt hat.

So richtig los ging es erst im befreiten Afghanistan, als Unterstützung offen möglich war. Erös hat die Menschen in Afghanistan als Arzt jahrzehntelang begleitet und gilt international als Experte in Fragen des Landes. Anfangs ermöglichten Freistellungen und Urlaubsaufenthalte seine Missionen. Auch heute gibt es kein Ruhen und Rasten. Der Einsatz für mehr Humanität und medizinische Versorgung in Afghanistan erfordert den ganzen Mann, und als Gründer der Kinderhilfe gilt es darüber hinaus die Trommel zu rühren für seine Projekte.

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Schon 1997 gründete Erös die Kinderhilfe Afghanistan. Jahre davor half er bereits den Hilflosen in dem vom Krieg erschütterten Land.

Etwa kürzlich, als er in Alfred Bioleks Talkshow „Boulevard Bio“ im Beisein von Frau und Sohn sein bewegtes Leben an den Ausläufern des Himalaya schilderte. Er erlebte als Militärarzt, der von der Geburtshilfe bis zur Amputation alles können muss, und als Mensch im zehnjährigen Krieg der damaligen Sowjetunion gegen die seinerzeit von den Amerikanern unterstützten Taliban Dinge an der Grenze zwischen Leben und Tod, die ihn, den harten Fallschirmjäger, irgendwann in die Depression trieben.

Ein seelischer Zusammenbruch war die Folge. Dies erzählte der vielbeachtete Buchautor („Tee mit dem Teufel“) und Vortragsreisende bei Bio, ohne ein Blatt vor den Mund zu nehmen. Dabei kam auch die eher skurrile Tatsache zur Sprache, dass Erös – und hier wird seine Rolle als Zeitzeuge deutlich – in Pakistan drei Jahre lang in unmittelbarer Nachbarschaft von Osama bin Laden wohnte, der dort Zehntausende Moslems aus der ganzen Welt zum Kampf gegen Nicht-Moslems, damals die Russen, rekrutierte.

Sowjet-Armee im Nacken

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Für die unlängst in Jalalabad eröffnete erste Computerklasse für Mädchen ließ die Firma Conrad für rund 35.000 Euro 25 PCs anschaffen.

Für Erös begann das große Abenteuer als 35-jähriger junger Arzt 1987, als er seine medizinische Hilfe in einem Land anbot, in dem ein brutaler Krieg herrschte, Attentate auf der Tagesordnung standen. Angefangen hatte alles mit dem Komitee „Ärzte für die Welt“. Bei Mutter Teresa in Kalkutta verbrachte er einen Jahresurlaub, und diese Begegnung sollte sein Leben prägen.

Denn auf einmal wusste er, dass er als Arzt anderswo mehr gebraucht wurde als hierzulande. Von Pakistan aus betrieb Erös unterirdische Höhlenkliniken in Afghanistan, musste mit seinen Mitarbeitern 4000 Meter hohe Berge bei Nacht, zu Fuß und mit Gepäck überqueren, die drohende Sowjet- Armee im Nacken. Er half, seinem Eid verpflichtet, stets den Verwundeten beider Seiten. Keine Frage natürlich: Die CIA wollte dieses und jenes wissen. Heute ist dies alles Geschichte.

Aber das Ringen um Menschlichkeit geht weiter, und es helfen Firmen wie Conrad aus Hirschau, aber auch viele andere, nicht genannte Spender, mit erheblichen Beträgen. Für die unlängst in Jalalabad eröffnete erste Computerklasse für Mädchen ließ die Firma Conrad für rund 35 000 Euro 25 Computer anschaffen. Besorgt wurden sie – wegen der dort erhältlichen arabischen Tastatur – in Pakistan. Conrad übernahm auch die Einweisung und bezahlt Lehrkräfte.

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Dr. Erös in Aktion: Mit den Menschen und für die Menschen

„Das läuft pausenlos weiter, wir wollen auch eine weitere Schule bauen“, erklärt Werner Conrad auf Anfrage. Im März 2003 wurde das Unmögliche aus der Taufe gehoben: Dr. Erös startete zusammen mit dem Provinzgouverneur Din Muhammad, dem Erziehungsminister Haji Hetajat, dem Minister für Wiederaufbau, Haji Shaba, und über hundert Ehrengästen aus Kabul und Jalalabad die erste Computerklasse für Mädchen in Afghanistan. Die Eröffnungsfeier an der „Allaei Girls High School“ in Jalalabad übertrug das afghanische Fernsehen in einer einstündigen Sondersendung.

Bei seiner Rede betonte der Gouverneur (vergleichbar mit Ministerpräsident) der Provinz Nangahar, dies sei ein „Quantensprung“ für die Ausbildung afghanischer Mädchen und ein weiterer Beweis für die beispielhafte Unterstützung aus Bayern beim Wiederaufbau der Bildungseinrichtungen Afghanistans außerhalb der Hauptstadt Kabul.

An den derzeit 25 – modernen – Geräten werden in zwei Schichten täglich 100 Mädchen und Lehrerinnen von einer Exil-Afghanin ausgebildet. Die technische Installation erfolgte durch ein afghanisches Exilanten-Ehepaar aus Bayern, das drei Monate für die Kinderhilfe Afghanistan in Nangahar unter schwierigen äußeren Bedingungen tätig war. Jetzt steht die Installation einer Photovoltaik-Anlage an der Schule bevor. Die technischen Vorbereitungen laufen bereits.

Bildung gegen Barbarei

Auch wenn sich der Blick in diesen Tagen auf das Geschehen im Irak richtet, so ist Afghanistan längst nicht befriedet und über dem Berg. Nur über Bildungsmaßnahmen und ein Anheben des Niveaus der fleißigen und intelligenten Bevölkerung eines Landes, das sich seit 23 Jahren im Kriegszustand befindet, lässt sich ein Rückfall in Taliban-Zeiten verhindern. Wer den „Mutmachern“ Mut machen will.

Hier das Konto: „Kinderhilfe Afghanistan, Liga Bank Regensburg, BLZ 750 903 00, Kto.-Nr. 132 5000.

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