Kinderhilfe Afghanistan

Afghanistan

Amberger Zeitung vom 27. Mai 2004

Die Taliban sind nicht mehr das Problem

Dr. Reinhard Erös eröffnet 13. Schule in Afghanistan - "Bundeswehr muss Aufgabe neu definieren"

Weiden. (upl) Dr. Reinhard Erös' Mission scheint unerfüllbar. Wo immer er auch über Afghanistan spricht - er trifft auf einen Berg von Missverständnissen. "Afghanistan gilt als Vorhof zur Hölle", beklagt er und versucht bei einem Redaktionsbesuch in Weiden ein weiteres Mal, die Vorurteile über das Land am Hindukusch aus der Welt zu räumen.

"Die Taliban sind nicht mehr das Problem", sagt der Arzt aus Mintraching (Kreis Regensburg) und gebürtige Tirschenreuther, der vor 19 Jahren angefangen hat, in Afghanistan Entwicklungsarbeit zu leisten. Die fanatischen Gotteskrieger haben das ausgemergelte Land verlassen. "Die haben sich sofort nach Pakistan abgesetzt. Zwei Provinzen sind dort bereits unter ihrer Kontrolle." Doch die Amerikaner jagen die Taliban weiter - in Afghanistan.

Statt in den Wiederaufbau stecken die Vereinigten Staaten Unsummen in den akribischen Kampf gegen die islamistischen Krieger. "Man sagt, dass die USA jeden Monat mehr als 1,25 Milliarden US-Dollar in das Ausmerzen der Taliban investieren." Für Erös verschwendetes Geld. Der Bau einer kompletten Schule für etwa 1000 Kinder kostet etwa 70 000 Euro. In dieser Woche weiht er mit Spendengeldern aus der Oberpfalz seine Dreizehnte ein. Sieben weitere sind im Bau oder bereits geplant. Von dem Geld, das die Amerikaner in einem Monat für den Krieg ausgeben, ließen sich auf einen Schlag Unmengen von Schulen bauen. Ein Wunschtraum.


Das Land am Hindukusch kommt nicht auf die Beine. Die Bauern versuchen, sich selbst zu helfen. Erös: "Seit die Taliban weg sind, hat sich der Opium-Anbau verfünffacht." Opium ist das einzig lukrative Exportgut Afghanistans. Der Wert des Drogen-Rohstoffs, der 2003 ausgeführt wurde, beträgt nach Schätzungen der Vereinten Nationen zwischen 20 und 30 Milliarden Euro. "Ein Vielfaches des afghanischen Staatshaushaltes."

Erös erzählt die Geschichte eines Nürnberger Drogenfahnders. Während der in der fränkischen Metropole Tag für Tag sein Leben aufs Spiel setzt, um vielleicht ein Kilogramm Heroin sicher zu stellen, muss sein Bruder bei der Bundeswehr in Kundus jeden Tag dabei zusehen, wie Tonnen von Opium über eine Brücke aus dem Land geschafft werden.

"Hier müsste die Entwicklungshilfe ansetzen", sagt Erös und kreidet zahlreichen Hilfsorganisationen und auch der UNO eine verfehlte Politik an. "Die verteilen das Getreide kostenlos an die Bevölkerung, statt den Bauern Geld zu geben, damit sie Saatgut kaufen." Den Fokus richten die großen Organisationen auf Kabul und saugen den Rest des Landes damit aus. "Alle wollen in die Hauptstadt, in der Hoffnung etwas vom großen Kuchen abzubekommen."

Die Bundeswehr nimmt er von der Kritik nicht aus. "Von den 2000 deutschen ISAF-Soldaten verlassen 90 Prozent nie das Camp", sagt Erös. "Die Patrouillen von etwa 150 Deutschen durch die Drei-Millionen-Stadt Kabul haben höchstens politische Bedeutung. Der tatsächliche Wirkungsgrad beträgt null Komma null." Die Amerikaner, die großen Hilfsorganisationen und die Bundeswehr müssten ihre Aufgabe in Afghanistan neu definieren.

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