Kinderhilfe Afghanistan

Afghanistan

efi - Die evangelische Frauenzeitschrift für Bayern - Ausgabe 4/2005

Unter dem Schleier am Computer

Seit 2001 gestaltet Brigitte Neumann ehrenamtlich die Homepage der Kinderhilfe Afghanistan. Sie reiste im April 2005 eine Woche in das Land am Hindukush und unterrichtete dort die Grundlagen des Webdesigns. Für Efi berichtet sie von ihren Erfahrungen.

Von Brigitte Neumann

„Ich bin noch nicht alt. Wie alt ich bin, weiß ich nicht, aber nicht so alt wie ich aussehe. Das Leben hat mich alt gemacht“. Ihr Gesicht allein erzählt Geschichten. Zerfurcht ist es und faltig, mit dichten grauen Haaren umrahmt, die unter dem Schleier widerspenstig herausquellen. In ihren Augen liegt die Entschlossenheit derer, die an den Härten des Lebens nicht zerbrochen, sondern den Herausforderungen zugewandt geblieben sind. Das Gespräch mit der Schulleiterin der Allaei-High-School zeigt wie kein anderes den Spannungsbogen, in dem Frauen in Jalalabad, der ehemaligen Hochburg der Taliban im Osten Afghanistans, leben. Sie sind noch fest verankert in ihrer Tradition, stark geprägt von den heftigen Erschütterungen des langen Krieges und der Zeit der Talibanherrschaft, aber auch schon voller Engagement für eine „bessere Zukunft“.
Der Schulleiterin wird der Computer vermutlich fremd bleiben. Ganz anders den zwanzig Schülerinnen, die kurz vor dem Abschluss ihres Computerlehrgangs stehen. In den vergangenen beiden Jahren haben sie alles rund um den Umgang mit einem PC, Textverarbeitung, Tabellenkalkulation, Datenbankpflege und PowerPoint-Präsentationen gelernt. Nun lernen sie noch die Grundlagen der Websitegestaltung. Konzentriert arbeiten die Schülerinnen mit. Als die ersten Fehler in den Übungen auftauchen, droht die positive Grundstimmung einzuknicken. Frau will alles sofort richtig machen. Doch schon am zweiten Tag ist das kein Problem mehr. Und am Ende des Lehrgangs sind wir alle stolz auf unser gemeinsames Projekt. Nun hat die Allaei-High-School eine eigene Homepage. (www.kinderhilfe-afghanistan.de/allaei)

Familie hat immer Vorrang

Die meisten der Schülerinnen stehen jetzt an der Schwelle von der Schule zum Beruf. Sufad Rahmani (17), ist überzeugt, dass ihr diese Ausbildung weiterhilft auf dem Weg, Journalistin werden zu wollen. Oder vielleicht doch Computertechnikerin? Ihre Familie unterstützt sie in ihren Berufswünschen. Da hat sie Glück, denn auch heute noch verwehren manche Väter ihren Töchtern den Zugang zum Lernen.
Oder Familientradition unterbricht oder versperrt ihnen den Weg – so wie den beiden Medizinstudentinnen, die dank ihrer eigenen fundierten PC-Kenntnisse den Unterricht in dieser ersten Computerklasse übernehmen und sich damit ihr Studium finanzieren konnten. Jetzt ruft die Familie sie zurück, denn die Mutter ist krank geworden. Ganz selbstverständlich gehorchen sie. Doch die Hoffnung, dass sie bald wiederkommen, nehmen sie mit. Deshalb ist es ihnen auch besonders wichtig, ein gutes Empfehlungsschreiben zu erhalten von Dr. Reinhard Erös, dem Mann aus Deutschland, der sagt: „Mein Ziel ist es, an allen unseren Schulen im Laufe der nächsten Zeit solche Computerklassen zu errichten.“

Schulen für mehr als 35 000 Schülerinnen und Schüler

Ein großes Ziel, denn seit dem Sturz der Taliban haben Annette und Dr. Reinhard Erös, pensionierter Militärarzt aus Mintraching/Oberpfalz, mit ihrer Privatinitiative „Kinderhilfe-Afghanistan“ 14 Schulen gebaut, zwei Mädchen- und eine Bubenschule in Jalalabad für insgesamt ca. 15.000 Schülerinnen und Schüler sowie mehr als zehn kleinere Schulen in den Dörfern der unzugänglichen Bergregion von Tora Bora.
Den „normalen“ Unterricht an den Schulen gestalten afghanische Lehrkräfte. Mehr als 300 Lehrerinnen ernähren damit ihre Familie. Viele führen fort, was ihnen vor den Taliban ebenfalls möglich war.
Mit den Computerklassen in den Schulen setzt Erös neue Akzente. Er macht die Schülerinnen fit für den modernen Arbeitsmarkt – und öffnet ihnen den Zugang zur weltweiten Kommunikation per Internet. Bald sollen die Schülerinnen der Computerklassen auch von dort aus E-Mails schreiben können.
Im Herbst werde ich den nächsten Kurs halten. Übrigens wieder „unter dem Schleier“. Wie wichtig dieses Kopf und Schulter bedeckende Tuch auch für mich war, merkte ich besonders dann, wenn es mir vom Kopf rutschte. Reagierte ich nicht sofort, „hüllte“ mich eine Schülerin von hinten wieder ein.


Brigitte Neumann, 43, verheiratet, Ökotrophologin, Wissenschaftsjournalistin, online-Redakteurin, versucht in ihrer Familie mit drei Kindern die vier „K’s“ zu leben: „Kinder(hilfe), Kirche, kleine Karriere“.

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