Kinderhilfe Afghanistan

Afghanistan

Artikel 9: Zeit-Fragen Nr.27 vom 4.7.2005 (Quelle:Zeitfragen)

Kämpfen für den Frieden mit den Waffen der Bildung

Reinhard und Annette Erös und die Kinderhilfe Afghanistan

Er hat Dutzende von lebensbedrohenden Situationen überlebt, er hat «Tee mit dem Teufel» getrunken (so der Titel seines Buches), er hat als Arzt unter unbeschreiblichen Bedingungen gearbeitet bei 25 Einsätzen in Krisenregionen auf der ganzen Welt, und er ist Experte für Afghanistan, dessen Menschen und Kultur: Dr. Reinhard Erös, 56, pensionierter Fallschirm-Oberst und Arzt bei der deutschen Bundeswehr, ein ehemaliger Mudjahedin-Arzt, Vater von sechs Kindern und ein sympathischer Bayer. Er kämpft jetzt einen neuen Krieg, ohne Waffen, gegen Analphabetismus in einem der ärmsten Länder der Welt, und er tut dies in seiner ihm eigenen Art mit grossem Wissen und unglaublichem Erfolg. In Deutschland sammelt er Geld, und wenn er 60000 Euro beieinander hat, reist er zurück in seine zweite Heimat - Afghanistan -, um dort eine neue Schule für ungefähr 1200 Schüler, Jungen und Mädchen, in den Bergregionen Ost-Afghanistans zu errichten, dort wo keine anderen Hilfsorganisationen sich hinzugehen trauen. Warum widmet Reinhard Erös seine ganze Kraft der Hilfe des afghanischen Volkes?

js. Ein Vierteljahrhundert lang haben Krieg, Bürgerkrieg und Elend dieses kleine Land am Hindukusch beherrscht (1979-2001). Weihnachten 1979 besetzte die ehemalige sowjetische Armee das Land und begann einen gnadenlosen Krieg gegen die Zivilbevölkerung, der 10 Jahre dauerte. Mehr als 1 Million Einwohner wurden getötet, 2 Millionen verletzt und verstümmelt, und mehr als 6 Million mussten aus dem Land fliehen. Es war der grösste Exodus in der menschlichen Geschichte. Hunderttausende dieser Menschen leben heute noch in Pakistan. 1994 besetzten die Taliban das Land, unterstützt und gefördert durch Pakistan und Saudi-Arabien und mit Duldung der USA. Fast 7 Jahre lang beherrschte ein entsetzliches Terrorregime das Land, ohne dass der Westen einschritt: Primitive Koranschulen ersetzten Universitäten und Schulen, Museen wurden geplündert und unersetzliche kulturelle Schätze zerstört. Mädchen und Frauen, die früher hohe Anerkennung genossen und sehr in Ehren gehalten wurden, verloren ihre grundlegenden Rechte, ihnen wurde jede mögliche Form von schulischer oder beruflicher Ausbildung verweigert und die Ausübung eines Berufes verboten. Afghanistan litt schwer. Der saudische Millionär Usama bin Ladin fand Schutz und Unterstützung bei den Taliban, und von 1996 an war er in der Lage, zusammen mit den mörderischen al-Kaida-Terroristen, seine Angriffe aus den Bergen von Ost-Afghanistan aus vorzubereiten.

Der 11. September 2001 rüttelte den Rest der Welt auf. Mit einem «Blitzkrieg», geführt von der US-Luftwaffe, wurden die Taliban innerhalb weniger Wochen aus ihren Positionen entfernt und Usama bin Ladin und seine al-Kaida aus dem Land vertrieben. Seit Beginn des Jahres 2002 ist die Hoffnung in das Land zurückgekehrt.

Zwischen 1987 und 1990 während der Zeit der sowjetischen Besatzung arbeiteten Reinhard Erös und seine Frau, zusammen mit ihren 4 Kindern, mit den Frauen und den Kindern Afghanistans. Annette Erös als Lehrerin in den Flüchtlingscamps rund um Peshawar und Reinhard Erös heimlich und «illegal» als Barfussarzt in den Höhlen von Tora Bora in Afghanistan. Während dieser schrecklichen Jahre kamen die Kinder von Afghanistan ihren Herzen besonders nahe, und nach ihrer Rückkehr nach Deutschland 1990 haben sie dieses Land und diese wunderbaren Menschen nicht losgelassen: Um den Kindern und den Jugendlichen in einer wirkungsvollen und dauerhaften Weise zu helfen und ihnen eine friedliche und wohlhabende Zukunft in ihrem Land zu garantieren, gründeten sie 1989 das Projekt Kinderhilfe Afghanistan.

In den östlichen Provinzen von Afghanistan und in Flüchtlingslagern nahe der pakistanisch-afghanischen Grenze bauten, unterhalten und unterstützen sie, zusammen mit ihren afghanischen Mitarbeitern, medizinische Gesundheitsstationen, Mutter-Kind-Krankenhäuser und sogenannte Friedensschulen. Sie errichteten ihre erste Friedensschule 1998 in Peshawar in Pakistan, während Afghanistan noch unter dem Taliban-Regime litt. In 4 Jahren wurden mehr als 1000 afghanische Mädchen dort unterrichtet. Heute, mehr als 3 Jahre nachdem die Taliban entmachtet wurden und nachdem viele Flüchtlinge jetzt nach Afghanistan zurückgekommen sind, wird diese Schule immer noch als eine der besten Schulen für Pakistans Flüchtlinge im Grenzgebiet angesehen.

Nach dem Fall des Taliban-Regimes Ende 2001 baute Reinhard Erös die ersten Schulen innerhalb Afghanistans und unterhält sie auch, wobei er sich besonders auf die östlichen Provinzen konzentriert. Seit März 2002 sind mehr als 4000 Mädchen im Alter von 6 bis 18 Jahren von 120 Lehrerinnen in ihrer Allaei-Grundschule und in der weiterführenden Allaei-Mädchen-Schule in Jalalabad unterrichtet worden. In dieser High School arbeiten 2 deutsche Lehrer seit 2004 freiwillig mit, unterstützt durch die Organisation Kinderhilfe Afghanistan. Sie unterrichten die Fächer Deutsch, Englisch und Informationstechnologie. Während der letzten zwei Jahre war die Kinderhilfe Afghanistan in der Lage, 12 zusätzliche Schulen in entlegenen Gebieten, besonders in den schwer zugänglichen östlichen Provinzen, zu errichten: in der rauhen Gebirgsregion von Tora Bora eine Schule für 800 Jungen und Mädchen, eine Dorfschule für 1000 Kinder in der armen Grenzregion von Kunar, die Paghman-Schule für 600 Mädchen und 300 Jungen, in Zusammenarbeit mit dem verstorbenen Unicef Botschafter Sir Peter Ustinov, eine koedukative Schule in Laghman für die Kinder der Region um Islamabad, eine Dorfschule für 600 Kinder in einer Höhe von über 1200 m in Kashmond, einer der ärmsten Region Afghanistans, eine Mädchenschule für ungefähr 4000 Kinder und vor einigen Wochen eine weiterführende Schule für 5000 Jungen in Jalalabad, der Provinzhauptstadt von Nangahar.

Die Fächer, die an diesen Schulen unterrichtet werden, sind die lokalen Sprachen Farsi und Pashtu, Englisch, Mathematik, Physik, Chemie, Geographie, Geschichte, Gesundheitserziehung und Religion. Die Schulen sowie alle Lehrmittel sind umsonst. Arme Kinder und Waisen erhalten regelmässige Mahlzeiten und Lebensmittelpakete. Einige der Schulen bieten Deutsch als Fremdsprache an. Besonders begabte Schüler nehmen am IT-Unterricht teil. In Zusammenarbeit mit Unicef ist das Fach «Erziehung zum Frieden» im Lehrplan integriert worden. Mehr als 1000 weibliche und männliche Lehrer, Ingenieure, Maurer, Bauarbeiter, Doktoren, Hebammen, Krankenschwestern und andere Helfer erhalten ein regelmässiges Einkommen von der Organisation Kinderhilfe Afghanistan, oft das einzige Einkommen für ihre Familien.

Die «Philosophie» der Kinderhilfe Afghanistan ist, dass Afghanistan ein hauptsächlich von der Landwirtschaft bestimmtes Land ist. Mehr als 80% der Bevölkerung leben in kleinen Städten oder Dörfern. Die Dörfer litten jahrzehntelang besonders unter Krieg und Dürre. Anders als die grossen internationalen Organisationen bietet die Kinderhilfe ihre Hilfe nicht nur in der Hauptstadt Kabul an, sondern versucht, die Bevölkerung auf dem Land und in den kleinen Städten zu unterstützen. Ihre finanziellen Mittel kommen ausschliesslich aus privaten Spenden, besonders von Schülern, Schulklassen und unterstützende Partnerschulen. Sie zeigen den Afghanen, dass nicht nur Länder und grosse Organisationen sich um sie kümmern, sondern viele einzelne, besorgte Menschen in Deutschland mithelfen wollen, ein friedliches und wohlhabendes Afghanistan zu errichten.

Alle Deutschen, die mit der Kinderhilfe Afghanistan zusammenarbeiten, tun dies ehrenamtlich. 100% jeder Spende erreichen die benachteiligten Kinder.

 

 

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