Der Evangelische Buchberater, Heft 4/2002, Seite 530
Das besondere Buch
Reinhard Erös: Tee mit dem Teufel
Hamburg, Hoffmann & Campe 2002.
265 S. mit Abb.
Geb. € 19,90 ISBN 3-455-01801-7
Ein deutscher Militärarzt erzählt über seine langjährige humanitäre Hilfe in Afghanistan unter lebensbedrohenden Bedingungen ist.
Von Wolfgang Löffler
Der Bundeswehrarzt Erös lässt sich vom Dienst in der Truppe frei stellen und geht nach Peschawar in Pakistan, um mit Unterstützung der Organisation „Deutsches Afghanistan Komitee“ in Afghanistan medizinisch zu arbeiten. Schon 1975 hatte er während des Medizinstudiums in Afrika famuliert, sechs Jahre später arbeitete er für das Komitee „Ärzte für die dritte Welt“ bei Mutter Theresa in Kalkutta und entschied sich schließlich mit seiner Frau und seinen vier Kindern ganz dort hin zu ziehen.
Abenteuerromane oder Kriminalromane können ziemlich spannend sein, letztlich weiß der Leser jedoch, dass diese Spannung konstruiert ist und dann hat die so erzeugte Wirkung einen etwas schalen Geschmack.
Im Fall dieses Buches wird von den ersten Zeilen an Aufmerksamkeit geweckt, die immer wieder in höchste Spannung wechselt und das gesamte Buch anhält. Der Rezensent gesteht gerne, dass er das Buch nicht aus der Hand legen mochte, ehe es nicht gelesen war. Die bloße Beschreibung und Schilderung der schier unglaublichen Lebensumstände der Menschen dort, der Hunger, der Dreck, das Elend, das Kindersterben, die Kriegsgräuel, die absolut unzureichende medizinische Versorgung unter nicht vorstellbaren äußeren Bedingungen wecken immer wieder Erregung und Bedrückung zugleich. Erös schildert nicht nur die häufig erbarmungslose Kriegführung beider Parteien fern jeglichen Kriegsvölkerrechts, wobei er sich um Äquidistanz bemüht. Ebenso anschaulich und manchmal auch amüsierend zeichnet er das korrupte Gebaren pakistanischer Amtswalter, lässt Ahnung von vermeidbarem Leerlauf und knirschenden Bürokratien aufkommen, die der guten Sache immer wieder im Wege stehen. Und auch die vielen westlichen Helfer, Unterstützer, Medienmitarbeiter oder Auslandskorrespondenten gleich welcher Nationalität kommen nicht immer gut weg. Inkompetenz, Oberflächlichkeit und Bequemlichkeit finden sich allerorten. Sie alle bewegen sich meistens fern der traumatisierenden eigentlichen Geschehnisse, die den Arzt schließlich sogar psychisch krank werden lassen. Seine Frau baut eine Schule auf und heute gehören die von den Erös aufgebauten Bildungseinrichtungen zu den Vorzeigeobjekten des Landes. Zu oft hatte der Arzt die Kinder afghanischer Eltern nicht retten können Ohne besonderes Hervorheben wird nun im Buch vom Tod des kleinen Trutz Erös berichtet und der Vater lässt kurz die scheinbar unterschiedliche Verarbeitung des Todes durch die Angehörigen aufscheinen.
Es ist ein wirklich großartiges, absolut faszinierendes Buch, das in keinem Bestand fehlen darf und mit Sicherheit von allen Leserschichten quer durch die unterschiedlichen Alter ebenso begierig wie gewinnvoll gelesen werden wird. Besonders wertvoll könnte das Buch in der Gemeindearbeit sein. Ganz konkret könnten unterstützende Engagements etwa zum Aufbau weiterer Schulen initiiert werden. Der Wunsch zu helfen wird bei der Lektüre ohnehin zum Grundmotiv.
In der Gruppenarbeit wird sich geradezu natürlich die Diskussion entwickeln, welche Bedeutung Länder wie Afghani-stan überhaupt für die reichen Industriestaaten des Nordens haben, welche Funktion Helfer wie die Familie Erös haben und ob nicht die Politik der westlichen Welt ganz andere Präferenzen pflegt.
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