Kinderhilfe Afghanistan

Afghanistan

Rhein-Zeitung - Ausgabe Andernach vom 12.11.2004

Gastvortrag machte Schüler sprachlos

Bundeswehrarzt berichtete über seine Erlebnisse in Afghanistan

Mit einem solchen Vortrag hätten die Schüler des Kurfürst -Balduin - Gymnasiums in Münstermaifeld nicht gerechnet. Reinhard Erös war zu Gast in der Schule und begeisterte die Schüler mit seinem zweistündigen, packenden Vortrag über das "wahre" Afghanistan.

MÜNSTERMAIFELD. Als Reinhard Erös im neuen Forum des Kurfürst -Balduin - Gymnasiums das Wort ergreift, wird es schlagartig ruhig im Saal. Der Bundeswehrarzt beginnt von seiner ganz persönlichen Geschichte zu erzählen - und die wird alle Zuhörer mitreißen. Seit über 20 Jahren arbeitet er in Katastrophengebieten in Indien, Bangladesch, Kambodscha, Pakistan, Iran, Albanien und Afghanistan. Gemeinsam mit der UNO, der Nato und internationalen Hilfsorganisationen versorgt er kriegsverletzte Menschen. 1998 gründete Reinhard Erös mit seiner Frau und seinen fünf Kindern zudem eine private Initiative mit dem Namen "Die Kinderhilfe Afghanistan".

"Das Thema Afghanistan muss die Jugend interessieren. Kommt weg von Küblböck, Bohlen und 'raus aus dem Dschungel", fordert Erös die Schüler zu Beginn seines Vortrages auf.

Mit seiner Initiative unterstützt der Regensburger afghanische Kinder und Frauen mit medizinischen und schulischen Einrichtungen. "Afghanen in eurem Alter können sich gar nicht vorstellen, wie es ist, in Frieden zu leben. Seit 23 Jahren lebt ihr Land im Krieg", erzählt Erös und ergänzt seine Aussage mit einem drastischen Bild: "Ihre Festplatte ist programmiert auf Krieg."

Als ärztlicher Leiter einer deutschen Hilfsorganisation im afghanischen Krisengebiet hat er pro Jahr 180 000 Kranke und Verletzte unter gefährlichen Kriegsbedingungen medizinisch versorgt. "Die meisten Verletzten sind Frauen und Kinder", sagt der Bundeswehrarzt unverblümt und fügt hinzu: "Die Kinder werden täglich von Tretmienen verstümmelt."

Im Forum des Gymnasiums ist es ruhig. Kein Gelächter, wie im Unterricht. Kein Flüstern. Es herrscht Totenstille. Nur Reinhard Erös spricht zu den Zuhörern. "Zu Beginn meiner Hilfsarbeit in Afghanistan, als die Sowjetunion versuchte das Land zu erobern, war auf jeden Europäer ein Kopfgeld ausgesetzt. Auch auf mich", berichtet der Leiter der "Kinderhilfe Afghanistan". "Nach Meinung der Sowjetunion durfte ich den Afghanen als Mediziner nicht helfen. Es war ein Job mit Risiko."

Eine Woche noch ist Reinhard Erös in Deutschland im Einsatz. Dann geht es wieder zurück nach Afghanistan. "Gestern war ich in Aachen, morgen in Ahlen und nächste Woche bin ich wieder in Afghanistan. Ich reise von Schule zu Schule, um auf meine Initiative aufmerksam zu machen", sagt Erös. Mehrere Schulen konnte Reinhard Erös mit seiner Familie in Afghanistan errichten. Seine Frau Anette leitet die "Europäische Schule Peschwar". An dieser Schule werden Kinder aus elf Nationen von Lehrerinnen aus fünf Ländern unterrichtet.

Die stellvertretende Schulelternsprecherin, Martina Gonser, sorgte dafür, dass Reinhard Erös zu Gast in Münstermaifeld war. "Sein Vortrag ist mitreißend. Reinhard Erös nimmt den Zuhörer für zwei Stunden mit nach Afghanistan", sagt Martina Gonser begeistert und fügt hinzu: "Man ist mit Leib und Seele dabei. Er ist ein Mensch mit Vorbildcharakter."

Auch die Schüler des Münstermaifelder Kurfürst -Balduin -Gymnasiums sind im Anschluss an den Vortrag beeindruckt und begeistert von der Art, wie der Arzt das Erlebte wiedergibt. "Dieser Mann sagt, was er denkt. Sein Vortrag war sehr persönlich und informativ", sagt eine Schülerin der Klasse 13. Und ihre Freundin ergänzt: "Es war aufrüttelnd. Reinhard Erös war mit Herzblut dabei und hat uns alle mitgerissen - der deutsche Michael Moore."   Julian Turek

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